Moselsteig II – Von Konz bis Mehring

Warum eigentlich Schweich? Das habe ich mich bald nach der Ankunft gefragt. Denn es ist laut in dieser Stadt, die von der Bahnlinie Trier-Wittlich, der A 1 und der B 53 eingerahmt wird. Selbst mit dem Auto angereist, bekomme ich hier hörbar die Quittung für diesen Komfort präsentiert. 

Schweich liegt für mein Wanderwochenende sehr verkehrsgünstig: Für die drei Etappen von Konz nach Trier, von Trier nach Schweich und von Schweich nach Mehring kann ich bequem öffentliche Verkehrsmittel nutzen, ohne umsteigen zu müssen. Zu den Ausgangspunkten der Wanderstrecken Konz-Trier (Etappe 4) und Trier-Schweich (Etappe 5) fahre ich mit dem Zug. Die Moselsteigetappe 6 gehe ich in umgekehrter Richtung. Von Schweich nach Mehring komme ich mit dem Bus der Linie 200.

Und wie sich schließlich zeigt, passt Schweich recht gut zum Charakter der Moselsteig-Etappen rund um die älteste deutsche Stadt – Trier. 

Moselsteig Etappe 4 Konz – Trier

„Konz zieht sich“ könnte man umgangssprachlich sagen. Das war mein Eindruck auf den letzten Metern von Etappe 3 und dieses Gefühl habe ich auf den ersten Kilometern der vierten Etappe des Moselsteigs ebenfalls. Die Stadt am Zusammenfluss von Saar und Mosel kommt mir laut und verbaut vor. Vom Bahnhof geht es an Gebäuden entlang, die sich mir nicht einprägen und stark befahrene Straßen machen meinen Vorsatz zunichte, die 23 km Etappe gemächlich zu beginnen.

Schließlich ist es ein Apfelbaum mit rot-schimmernden kleinen Äpfeln, der mich auf andere Gedanken bringt. Der Boden ist bereits übersät mit Fallobst und so kann ich guten Gewissens mit einem morschen Holzstück nach den Äpfeln werfen. Von der Ernte lese ich einiges auf, den Rest überlasse ich Wespen, Vögeln und anderen Tieren. 

Der frisch-säuerliche Apfel-Geschmack und der kühle Wind wecken die Wanderfreude wieder und so nehme ich die Treppe, die mich aus Suburbia in den Wald befördert, mit Leichtigkeit.

Auch wenn es nun einige Kilometer Wald gibt, bleibt es doch die Last dieser Wanderroute, sich nie ganz der Natur hingeben zu können. Kaum wird der Weg dem Charakter eines Steigs gerecht, selten ist es die unberührte Natur, die sich Geltung verschafft. Eher erhält der Wanderer eine Lektion, wie  Kulturlandschaft, Infrastruktur und starke Besiedlung der Natur zusetzen. Als dann die A 64 in Hörweite gerät und dies für einen längeren Streckenabschnitt auch bleibt, merke ich, dass mein Plan der Zivilisationsflucht für diesmal misslungen ist. Und so beginne ich langsam, mich auf dieses Zusammenspiel einzulassen und über meine eigenen Komfortansprüche nachzudenken.

Die steppenartigen Wiesen, auf denen die Kühe kaum noch etwas zu fressen finden, die strahlende Sonne, die für September sehr hohen Temperaturen und die dicken Staubschichten selbst in schattigen Bereichen machen die Folgen des Klimawandels allgegenwärtig. So gerät der Weg aus Süden Richtung Trier eher zu einer nachdenklichen Pilgerstrecke als zu einer beschwingten Wanderung. Zum Glück gibt es zahlreiche Beerenhecken mit Schlehen, Holunder, Hagebutten, Brombeeren und die alten Obstbäume mit ihren leuchtenden Früchten, die diesem Abschnitt eine gewisse Fröhlichkeit geben.

Als schließlich ein Schild auf die Mariensäule hinweist, ist das Meiste bereits geschafft. Und dank der recht wenigen Höhenmeter bin ich noch fit genug, um diesen kleinen 300-Meter-Abstecher steil bergauf zu machen. Natürlich kann man von Trier aus auch mit dem Auto zur Mariensäule hochfahren. Das wird mir klar, als ich aus dem Wald trete und eine Reihe parkender PKW passieren muss. Erwartungsgemäß herrscht rings um die Mariensäule keine kontemplative Einsamkeit. Dennoch genieße ich diesen schönen Blick auf Trier und erkenne in dem mächtigen Monument die spirituelle Symbolik, die über alles menschliche Bemühen hinausweisen möchte.

Bis zur Kaiser-Wilhelm-Brücke geht der Rest der Strecke jetzt im Sog des Tagesziels unter. Der Abschluss auf dem Zuweg Richtung Hauptbahnhof führt an einem Grüngürtel entlang und um die Innenstadt herum, streift die Porta Nigra und lässt stilvolle Fassaden aus unterschiedlichen Epochen erkennen.

Moselsteig Etappe 5: Trier – Schweich

Der Zubringer-Weg vom Bahnhof um die Trierer Innenstadt herum, über die Kaiser-Wilhelm-Brücke mit Blick auf das Riesenrad und bis zum Einstieg in den Moselsteig wirkt nicht nur kürzer, sondern auch noch einmal attraktiver als am Vortag. Die quirlige, laute aber liebenswerte Moselmetropole Trier kommt auf meiner Wanderung eindeutig zu kurz.

Die ersten Kilometer der fünften Etappe führen am Rand der roten Sandsteinfelsen entlang und bieten tatsächlich immer wieder sehr schöne Blicke auf Trier. Allerdings vermittelt der Sicherheitszaun zu meiner Rechten kein unverstelltes Wandererlebnis, sondern eher den Eindruck einer stark reglementierten Situation. 

Oberhalb von Ehrang lege ich eine Rast ein und spüre den Puls einer Wohlstandsregion. Es ist gewöhnungsbedürftig, in dieser Höhe den Verkehrslärm der Bundesstraßen 52 und 53, das Rauschen der Züge und sogar das aggressive Röhren eines Jet-Ski hören zu können. Inzwischen verstehe ich diese Kakophonie als einen Wohlstandsindikator, den ich durch mein eigenes Verhalten tagtäglich mit befeuere. Und so wird aus Wohlstandslärm, unglaublich vielen Treppenstufen, dem steil ansteigenden Ehranger Kreuzweg, Hitze, Staub und zahlreichen Begegnungen mit Mosel-Caminho-Pilgern eher ein Büßergang als ein Naturerlebnis.

Nach etwa 19,5 Kilometern Strecke und 658 Höhenmetern klingt der Abend auf der Terrasse des Mittlers in Schweich mit einem bemerkenswert guten Essen aus.

Moselsteig Etappe 6: Mehring -Schweich

Als ich den Bus der Linie 200 in Mehring verlasse, durch das beschauliche Örtchen gehe, dann dem schmalen Weg durch die Weinberge folge und den Blick auf die Mosel genieße, kehrt endlich das vermisste Moselsteig-Gefühl zurück.

Zwar sind Autos und Motorräder zu hören, aber sie dominieren nicht mehr und geben dem sonntäglichen Geläut der Sankt-Medardus-Kirche eine Chance. Ein örtlicher Fußballverein nutzt die steile Weinberg-Passage für das Mannschaftstraining. Oben angekommen gehe ich einige hundert Meter auf einem weich mit Rindenmulch gepolsterten Teilstück einer Outdoor-Fitnessanlage, die gekonnt in ein Kierfernwäldchen integriert ist. 

Der Abschnitt 6 des Moselsteigs hält, was er zu Beginn versprochen hat. Waldige Passagen wechseln sich mit aussichtsreichen Wegen über weitläufige Wiesen ab. Am Mehringer Berg gibt es dann tatsächlich eine 360 Grad Rundumsicht: die Mosel schlängelt sich wie ein silbriges Band durch die in diesem Jahr viel zu früh verfärbten Wälder und sonnengebleichten Wiesen.

Der steile Abstieg bringt Schweich wieder in Hörweite und nach einer Autobahnunterführung ist der Ausgangspunkt bald erreicht. 

Die zweite Moselsteigwanderung war ein Wandererlebnis der besonderen Art und ich bin froh, diesen Teil des Weges nicht ausgespart zu haben.

Im späten Frühjahr 2021 geht es weiter auf dem Moselsteig; denn jetzt möchte ich die gesamte Strecke bis Koblenz kennenlernen.

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