Vom Großen im Kleinen

Großes entsteht immer im Kleinen, damit wirbt das Saarland für sich. Übertragen auf unser Wanderwochenende passt diese Aussage dann, wenn ich sie auf die Urlaubsgefühle anwende. 

Camping Girtenmühle

Wir übernachten auf dem kleinen Campingplatz Girtenmühle, nicht im Zelt sondern im kleinen Eriba. Camping Girtenmühle bietet viel Raum für tolerante Naturliebhaber. Naturbelassene Zeltplätze schlängeln sich entlang des Panzbachs. Einige weitere kleine Caravans verirren sich auf das Areal, schmälern aber nicht den Eindruck eines Pfadfinderlagers. Feuerschalen, Stockbrot und Gegrilltes erfüllen die Abendluft mit rauchigen Aromen. Ich bereite eine eigene Kreation aus Nudeln, Lachs und Gemüse zu und bin überrascht, wie gut sie in diesem Umfeld schmeckt.

Das ist aber die einzige Mahlzeit, die ich in diesen drei Tagen koche. Denn in dem kleinen Restaurant des Landguts Girtenmühle wird mit so viel Kreativität aufgetischt, dass ich mir das nicht entgehen lasse. Die aus den Niederlanden „ausgewanderten“ Betreiber verwirklichen hier ihren Traum vom nachhaltigen Leben und praktizieren das auch im Restaurant und an der Bar. Wer abends essen möchte, muss sich tagsüber in die Liste eintragen. Zwar kann ich mir unter den Menü-Namen nichts vorstellen, von dem Ergebnis bin ich aber begeistert. Die vegetarischen Gerichte sind mit orientalischen Gewürzen und Zutaten raffiniert gekocht, virtuos zusammengestellt und auch für einen hungrigen Wanderermagen mit ausreichend Kalorien versehen. Das Gemurmel der Restaurant-Gäste auf der Terrasse, die Hintergrundmusik an der Bar und die Geräusche der Natur verbinden sich zu einer passenden outdoor-Atmosphäre.

Seit fünf Jahren betreiben die niederländischen „Überzeugungstäter“ diesen Platz und haben in dieser Zeit ein Refugium geschaffen, das für naturnahe Campingfreunde mit latenter Aussteiger-Mentalität wie ein kleines Sprungbrett in diesen Traum wirkt. Die Sanitäranlage passt noch nicht ganz in dieses Konzept und bei Vollbelegung ist sie nicht nur etwas zu klein sondern insgesamt ein wenig überfordert. Ich kann es verschmerzen, zumal sie wohl als Sanierungsobjekt ansteht.

Traumschleifen

Dass es sich von hier aus gut wandern lässt, versteht sich fast von selbst. Der Bergener, so heißt die saarländische Traumschleife, die unmittelbar vom Platzeingang aus startet. Selbstverständlich gehen wir diese mit 11,5 km überschaubare Strecke. Für eine Mittelgebirgs-Wanderung ist sie sehr abwechslungsreich. Denn sie führt immer wieder auch aus dem üppigen Mischwald heraus, an Wiesen und Feldern entlang, quert das Dörfchen Bergen und dabei geht man meistens auf schmalen Pfaden, die einer mentalen Ermüdung vorbeugen. 

Im Jahr 2021 hätte man anstelle des etwas aufgetragen klingenden Marketingbegriffs „Traumschleife“ selbstbewusst bescheidener formulieren können. Aber welche Tourismusorganisation konnte vor ein paar Jahr schon voraussehen, dass die Deutschen dank der Pandemie plötzlich in Scharen über ihr wunderschönes Land herfallen würden. Trotz des Wanderbooms erleben wir eine sehr beschaulich-einsame Runde und können Sonne, Schatten, Aussicht, Nadel-, Laub- und Mischwald ausgiebig genießen. Ein schöner Rundweg, der mit moderaten Steigungen nur wenig Kondition erfordert und durch seine abwechslungsreiche und einsame Wegführung an keiner Stelle Langeweile aufkommen lässt.

Der Hochwald-Pfad, den wir am nächsten Tag begehen, ist kaum länger hat dafür aber einige Höhenmeter mehr vorzuweisen. Unterwegs schaue ich mir gerne Campingplätze an, die am Weg liegen. So auch den Campingplatz Schwarzwälder-Hochwald, den die Strecke berührt. In meinem Vorurteil erneut bestätigt, dass es in Deutschland kaum Plätze mit einem naturnahen, unverbauten und schönen Ambiente gibt und ich mit dem Campingplatz Girtenmühle alles richtig gemacht habe, freue ich mich, wieder in den Wald einzutauchen. Anders kann ich dieses Wandererlebnis nicht beschreiben. Denn erst am Ziel spuckt uns der Wald sozusagen wieder aus, der uns unterwegs von den Seiten und meist auch von oben beschirmt aber nie einengt. Weitsichten mag es in der laublosen Zeit geben. Im Sommer aber ist es ein Urwalderlebnis, das durch das feucht-modrige Klima und die vielen silbrig glänzenden Bäche und Rinnsale wie aus einem Märchenbuch wirkt. Farne, Ranken, Blätter, Gräser, Flechten und Moose decken die ganze Bandbreite aller nur denkbaren Grün-Nuancen ab. Am Herberloch treibt die Natur diese Stimmung auf die Spitze. Es hätte mich nicht überrascht, wäre aus dem stillen grünlich-klaren Wasser ein mystisches Wesen aufgetaucht. 

Immer wieder habe ich mich gefragt, warum eigentlich das Kleine für die Werbetexter nur dann von Wert ist, wenn es die Ausgangsform für etwas Großes bildet. Mir haben der kleine Campingplatz Girtenmühle und die beiden Kurzwanderungen einen Wert vermittelt, den eine auf Erfolg und Wachstum getrimmte Vermarktung nur verschütten würde. Drücken wir zumindest diesen kleinen Perlen des Saarlands die Daumen, dass sie vor dem Großen verschont bleiben mögen.

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